Moin moin,
es gibt solche und solche. Dies trifft auch auf die unterschiedlichen Märkte in Thailand zu. Um sich langsam an die Vielfalt heranzutasten, stelle ich euch heute einen Lebensmittelmarkt vor.
Der Ort.
Bisher wurden Märkte immer auf großen offenen Flächen gefunden, oder in extra dafür angelegten Bereichen.
Wenn Mind also zu dem Markt um die Ecke gegangen ist, dachte ich, dieser würde aus ein paar Straßenhändlern bestehen, die sich nebeneinander gestellt hatten.
Falsch gedacht.
Bisher wollte sie immer gerne alleine gehen, um mich dem Gewusel und der Hitze an diesem Markt nicht auszusetzen, sehr fürsorglich und nett. Doch dachte ich, so schlimm kann es auf diesem Markt doch nicht sein, und ich bin doch einiges gewohnt.
Falsch gedacht.
So ergab es sich, dass wir uns vor ein paar Wochen zusammen auf den Weg machten, um einen kleinen Wocheneinkauf zu tätigen. Und da wir an mehreren Hochhäusern und Schnellstraßen vorbei auf einen kleinen Gang zu steuerten, dachte ich, wir sind wohl zügig fertig.
Falsch gedacht.
Es war sehr schnell klar, dass man am Anfang des Marktes nichts kaufen sollte, weil hier die Preise ungefähr doppelt so hoch seien, verglichen mit den Ständen weiter hinten.
'Weiter hinten' bedeutet in diesem Fall circa 2 km weiter einwärts ins Wohnviertel, und es scheint so, als würde der Marktbereich einen fließenden Übergang zu Wohngassen haben, wo die Verkaufsfläche und das Erdgeschoss der Wohnung nicht zu unterscheiden sind.
So unbemerkt man sich plötzlich zwischen normalen Wohnhäusern wiederfand, so plötzlich endet der Markt auch mitten in der Gasse, als seien die nächsten Wohnungen noch nicht umfunktioniert worden.
Dreht man sich dann jedoch um, wird man erinnert, dass man sich im Zentrum Bangkoks befindet, und es ist ein bisschen surreal, wie diese (für mich) ungleichen Welten in so einer Symbiose koexistieren.
Da sieht man ringsherum die auf Hochglanz polierten Wolkenkratzer mit ihren perfekt geplanten Zugängen, um in Abstimmung ein ansehnlich schlüssiges Stadtbild zu ergeben, und selbst befindet man sich dazwischen im absoluten Gegenteil.
Für mich ist kein System oder Ordnung zu erkennen. Chaotisches herumschreien, schubsen, pöbeln, Gestank und stehendes Wasser auf dem Boden, dachte Mind, ich würde mich dort ekeln.
Falsch gedacht.
Das Treiben.
Ja, sie hatte recht, es sind unglaublich viele Menschen auf engstem Raum unterwegs (jeglichen Kommentar zum Abstandhalten kann hier jeder selbst einfügen), und es ist unfassbar heiß zwischen den Ständen. Hier stieß nicht nur mein Kreislauf an seine Grenzen, sondern auch die Saugfähigkeit meiner T-Shirts.
Dennoch, nachdem ich Mind zweimal begleitet hatte, fand ich mich nun schon öfters alleine auf dem Weg zu dieser Pilgerstätte.
Denn dieser Markt bietet fast alles, was das kochende Herz begehrt, und von alledem dann auch noch enorm viel. Laut Mind kommen hier nicht nur Straßenhändler her, die ihre Vorräte auffüllen, sondern auch viele Restaurants oder alle möglichen anderen Gastronomiebetriebe.
Die wollen ja alle versorgt werden, und so kommt es, dass man sich tausenden Kilos von Gewürzen, Gemüse und Obst entgegensieht. Und falls man denkt, die einen verkaufen jenes und die anderen dieses:
Falsch gedacht.
Jeder Dritte verkauft hier das Gleiche, was einen realisieren lässt, dass hier eine riesige Menge an Waren umgeschlagen wird. Um es noch besser zu verdeutlichen, schaut euch folgendes Bild an und ihr könnt raten, wofür diese Karren gut sind.
Genau, dabei handelt es sich um Transporteure für den kleinen Einkauf zwischendurch.
Teilweise ist in den Gängen kaum ein Durchkommen, und nicht nur, dass die Transportwagen genau in der Mitte der Gänge stehen; wenn sie gebraucht werden, müssen sie auch durch diese Enge manövrieren. Dabei gilt eindeutig das Recht des lautesten Sprachorgans und des Stärksten. Hier ein kleiner Eindruck, wer am Ende wohl Vorfahrt hat:
Ich habe nicht ganz durchschaut, ob diese Transporteure einzelnen Ständen zugeordnet sind oder einfach vom Marktbetreiber (ich bezweifel, ob es einen solchen offiziell gibt) gestellt werden, vielleicht handelt es sich auch um Selbstständige, die vom Warentaxi später zum Personentaxi wechseln. Dies würde die eigenwillige Auslegung der Verkehrsvorschriften bei vielen Taxifahrern erklären.
Was zuerst wie Chaos pur aussah, entpuppte sich nach kurzem Beobachten zu einem einstudierten und abgestimmten Ablauf, der ausschließlich deswegen nicht perfekt ausgeführt werden konnte, weil ein Farang staunend im Weg stand.
Hier im hinteren Teil des Marktes beginnt dann unsere Einkaufstour, weil sich die Preise bis hierhin gut und gerne halbiert haben.
Jedoch scheint es mir auch so, als würden die einzelnen Gemüsesorten auf ihrem Weg in die hintersten Reihen auch ihre eigentlich Früchte verlieren. Sieht es doch so aus, als würde hier teilweise eher Gestrüpp als Nahrung verkauft werden.
Dies ist natürlich ausschließlich meinem mangelnden botanischen Wissens geschuldet. Ich dachte zuerst, dass kann man doch nicht essen.
Falsch gedacht.
Es bedarf einer ganzen Menge Bewunderung zu sehen, dass es so etwas wie Unkraut nicht zu geben scheint, sondern es eher nur auf die Intensität der Chilisoße ankommt, wie dieses 'Gemüse' zu essen ist.
Bis jetzt bleibe ich jedoch noch bei den mir bekannten Sorten, auch weil die Chilis zu meinen Freunden zählen denen ich nicht zu nahe treten möchte (https://www.thailandteilt.net/post/schärfe).
Der Preis.
Bei bekannten Sorten lässt sich auch das Preis-Mengen Verhältnis besser einschätzen.
Die Zahlenschilder auf den Bildern stellen meistens den Kilopreis dar, und damit ihr ungefähr eine Einordnung vornehmen könnt, teilt ihr die Zahl durch 35, um den Europreis pro Kilogramm zu errechnen.
Das Abwiegen der Tüte findet dann meistens im hinteren Teil der Verkaufsfläche statt, und entweder zahlen sich die Besuche im Fitnessstudio langsam aus, oder hier wird doch gerne mal gerundet. Gefühlt stellen wir mit unserem Zwei-Leute-Haushalt wohl nicht die besten Kunden dar. Denn entweder, um auf eine gewisse Mindestmenge zu kommen oder um das eigene Gewissen zu beruhigen, dem Farang einen anderen Kilopreis gemacht zu haben, wird regelmäßig meine ausgewählte Menge nach dem Bezahlen um eine weitere Handvoll Gemüse ergänzt.
Summiert man alles zusammen und überschlägt es etwas, schafft man für circa fünf Euro Mittagessen zu kochen, ein Mittagessen, das sich von der Menge her auf die nächsten sechs Tage aufteilen lässt.
So arbeitet man sich seinen Weg zurück an durch die Mengen und an allen Ständen vorbei, die nie leer zu gehen scheinen, und doch fällt es einem manchmal schwer, das Gesuchte zu finden. Auch scheinen die Stände selber keinen festen Platz zu haben. Wo letzte Woche noch der alte Mann mit den Waffeln aus Teig stand, werden heute Chilis verkauft, und die junge Dame mit dem Kokosnusseis hat eine Woche später auf grüne Bananen gewechselt.
Das Fleisch.
Ich selber übe mich als nahezu Vollzeit-Vegetarier (dazu an anderer Stelle mehr) und bin damit jedoch Teil einer Minderheit in Thailand. Fleisch gehört in die thailändische Küche wie der Reis, und beides zusammen ergibt das meist gegessene Frühstück bei der lokalen Bevölkerung.
So darf natürlich auch die Tierabteilung auf so einem Markt nicht fehlen, und gemessen an ihrer Grundfläche übertrumpft sie das Gemüse auch noch. Alles schön hintereinander aufgereiht ergibt sich wortwörtlich eine Fleischstraße. Man könnte fast meinen, in Thailand wird gerne Fleisch zur Schau gestellt.
Von folgenden Fleischständen gibt es einen neben dem anderen, zuerst wollte ich alle fotografieren und euch fragen, wie viele unterschiedliche Stände ihr zu erkennen glaubt. Als ich merkte, dass ich auf 10 Metern 3 mal anhalten muss und dabei selber vergesse, ob es nun der Gleiche oder ein Neuer war, habe ich diese Idee verworfen.
Diese Fleischtheken haben eine starke Ähnlichkeit mit den Süßigkeitenständen, wo man sich eine gemischte Tüte zusammenstellen kann. Einen entscheidenden Unterschied gibt es jedoch, bei den Süßigkeiten liegt eine Zange bei zum Anfassen der Ware.
Irgendwo werden gerade Hygienekonzepte erarbeitet, hier ist man schon um einiges weiter.
Mit der Erkenntnis: Geht auch ohne, und dachtest du bis eben, hier wird nicht gekühlt?
Richtig gedacht.
Es gibt Sonnenschirme, muss reichen.
Und reicht auch. Ganz nach dem Beweis durch die Realität scheint es kein gravierendes Problem zu geben, ansonsten würden diese Märkte so nicht funktionieren und existieren.
Vielleicht sind die Händler auch so gut abgestimmt, dass sie mehrmals am Tag frische Ware nachlegen können und eine temporäre Kühlung nicht notwendig ist, oder es gibt ein geheimes Kühlsystem, das ich noch nicht gesehen habe.
Falls es jedoch Fleisch oder Kühlung benötigt wird, im Transport macht es keinen Unterschied.
Ich selbst war überrascht, wie verhältnismäßig kühl es in der Fleischstraße war, muss dazu aber auch sagen, dass für mich 25° C angenehm kühl sind.
Erschreckend war eher, wie viele unterschiedliche rohe Teile eines Tieres ausliegen und verkauft werden können. Ich weiß nicht, ob hier auch das Chilisoßen-Prinzip greift, jedoch wird nichts am Tier verschwendet. Auge, Fuß oder Zunge, alles findet seinen Abnehmer, fast schon vorbildlich bezüglich einer Verschwendung.
Noch erschreckender ist jedoch die Vorstellung, dass die hier ausliegenden Tiere nicht durch das hier verkaufte Gemüse hätten ernährt werden können. Wenn man die hier ausliegenden Schweineleber zusammenzählt, kommt man auf eine unglaubliche Anzahl von Tieren, die hier anscheinend durchs Messer gehen. Hier?
Ja, hier, links und rechts werden die Tierteile frisch zubereitet, um dann verkauft zu werden.
Wem das allerdings schon zu spät im Verarbeitungsprozess ist, wird in einem Nebengang fündig.
Man kann sich vorstellen, dass diese Hühner auf den nächsten Karriereschritt nach oben sehr gerne verzichten würden. Ab und zu muss auch ein Beratungsgespräch die richtige Wahl erleichtern.
Irgendwie scheint dies die Mitte zwischen industrieller Massentierhaltung und ländlicher Bauernhof zu sein. Es ist jedenfalls interessant zu sehen und zu erfahren, was alles vorher passiert, bis man zu seinem Genuss kommt.
Ich möchte hier keinen moralischen Appell an alle Fleischesser loswerden, dies muss jeder für sich selbst entscheiden.
Meiner Meinung nach ist es jedoch wichtig und hilfreich, sich bewusst zu machen, was hinter jeglicher Art von Konsum steht, um diesen nicht als selbstverständlich hinzunehmen, sondern in seiner Ganzheit wertzuschätzen. Auch dazu an späterer Stelle mehr.
Das Süße.
Bevor man den Markt wieder Richtung Hochhäuser verlässt, und glaubt, aus einer Parallelwelt zurück in das Herz Bangkoks zu treten, passiert man noch zwei sehr wichtige Stände. Einmal die Wand der Naschereien.
Übertroffen wird diese Wand der Auswahl nur von dem Werk folgender junger Damen.
Es ist noch nicht ganz klar, warum die erhöhte Position notwendig ist, sie bewirkt jedoch ein etwas skurriles Bild, wenn man um die Ecke kommt. Die Damen kennen mich auch inzwischen, so haben diese Zuckerwatte-Rollen es in meine Bestenliste der Thai Süßigkeiten geschafft, denn kein Marktbesuch kann ohne sie zu Ende gehen.
Und mit diesem süßen Nachtisch verlässt man den von außen unscheinbaren und von innen überwältigenden, spannenden und pulsierenden Markt und sieht sich den gigantischen Bauten gegenüber.
Mit vollgepackten Grüßen,
Renke
P.S.:
Das Geheimnis ist gelüftet, und mit meiner Vermutung des geheimen Wassersystems im Untergrund lag ich nicht verkehrt. Es ist nur viel einfacher:
So wird unter der Fleisch- und Fischauslage ein regelrechtes Eisbett ausgebreitet, damit die Ware frisch gehalten werden kann.
Dafür notwendig? Eine unglaubliche Menge an Eis:
Pinn mich:
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