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AutorenbildRenke Schulz

Grenz-Markt


Moin moin,

seit drei Jahren schlendere ich liebend gerne über Märkte. Es kommt am ehesten der Vorstellung eines “Treiben auf der Straße” nahe und gerade in den angenehmen Abendstunden kann ich mich dort Runde um Runde verlieren. Supermärkte, Drogerien und auch Bekleidungsgeschäfte werden in Thailand größtenteils durch diese Märkte abgedeckt. (Abgesehen von ein paar großen Filialketten). In diesen drei Jahren ist ab und zu der Gedanke aufgekommen, dass auf diesen Märkten ganz schön viel “Kram” angeboten wird, und dieser auch irgendwo herkommen muss. Doch wurde dieser Gedanke von mir letztendlich auch wieder verworfen, weil es gab ja den nächsten Stand anzugucken. Nun ist ein neuer Markt auf meine Liste hinzugekommen. Anders als die meisten bisher besuchten Märkte befindet sich dieser weder in einer Stadt, noch ist er Dreh-, Angel- und Treffpunkt der umliegenden Dörfer. Sondern ist er eher ein in sich geschlossenes System, aber dazu später mehr.


Rong Kluea Market

Dieser Markt liegt unmittelbar an der Grenze zu Kambodscha, und dies bringt einige standortbedingte Besonderheiten mit sich. Ich bin weder Grenzpolizist, Standbetreiber noch Zollbeauftragter, doch folgende Hinweise lassen auf etwas deuten:

- Die gesprochene Sprache innerhalb des Marktes ist Kambodschanisch - Riesige Lastwagen fahren recht unbehelligt über die Grenze und laden ihre meterhohe Ware am Markt aus - In den Geschäften wird die Ware dann stapelweise in kleine Kartons gepackt und weiterverschickt

Meine Frage “Woher der ganze Kram von den Märkten kommt?” hat teilweise eine Antwort gefunden. Es handelt sich hierbei um einen “Vor-Markt” für alle weiteren Märkte, die im ganzen Land verteilt sind. In der Lieferketten-Sprache würde es wohl am ehesten einem Logistikzentrum gleich kommen. Dieses Verteilerzentrum hat seine Nische in der Bekleidung gefunden. Denn davon gibt es hier Unmengen.


Angefangen bei T-Shirts, über Unterwäsche, Hüte, Taschen bis zu Schuhen.

Es reiht sich Stand an Stand, Gasse an Gasse, Zone an Zone. Und da sich das Angebot sehr stark ähnelt, kann man schnell denken, denselben Weg schon einmal gefahren zu sein. Ein bisschen später realisiert man, dass man sich verfahren hat. Dies ist aber nicht weiter schlimm, weil, es gibt ja den nächsten Stand anzugucken.


Fahren ist dabei die treffende Fortbewegung. Während man sich in anderen Märkten durch die engen Gassen an Menschen vorbeischlängeln muss, sind die Gassen bei diesem Markt eher mit extra breiten Straßen zu beschreiben. Um sich hier energiesparend und gleichzeitig langsam genug fortzubewegen, wurde ein Transportmittel akquiriert, das sonst eher in freierer Umgebung unterwegs ist:


Die gedrosselte Geschwindigkeit zur Rücksichtnahme auf die vereinzelten Fußgänger geht mit dem Effekt einher, dass man jeden der gleichen Läden ausgiebig betrachten kann. Falls man dann auch selbst allzu sehr mit dem Gucken beschäftigt ist, hat man eventuell seinen eigenen Chauffeur dabei, denn eine erfolgreiche Fahrprüfung legt man automatisch auf den ersten Metern ab.


Es finden auch ausreichend viele Fahrgäste einen Platz, zusätzlich zu den ganzen Einkäufen, die unter, neben und über den Sitzen platziert werden können. Es scheint ein bisschen so, als hätten diese Transporter hier ihren Ursprung gehabt. Falls dies nicht ausreichend ist, und man etwas mehr Ladefläche benötigt, kann man auch auf andere “kleine” mobile Transporter zurückgreifen.

Und bei der Menge an Auswahl könnte man wahrscheinlich mehrere dieser Transporter mieten.

Auch wenn sich die Produkte sehr gleichen, ist dennoch eine große Vielfalt auszumachen. Überraschenderweise kennt man auch viele der angepriesenen Marken. Neben den klassischen gern kopierten Luxusmarken, finden sich hier auch alle führenden Textilunternehmen, die sich mit zwei bis vier Buchstaben schreiben, wieder. Nun, während man davon ausgehen kann, dass die Preise für italienische Designer-Handtaschen für vier Euro oder amerikanische Fliegersonnenbrillen für drei Euro eventuell nicht mit den Originalen mithalten können, sieht es bei schlichten Hosen und T-Shirts aus Schweden und Spanien anders aus.


Angeblich handelt es sich bei der Markt-Ware um Retouren, B-Ware oder Reparaturen. Davon scheint es so viel zu geben, dass diese schön sortiert in Bündeln zusammen liegen, und zwar nach Größe und Farbe sortiert. Und jede Kombination ist vorhanden, das Wort “ausverkauft” scheint es bei “B-Ware” nicht zu geben.

Vielleicht wird das Preisschild auch erst nach der Fertigung angeheftet und es gleicht einer Lotterie, ob die Ware den einen oder anderen Vertriebsweg nimmt.


Doch auch dieser Markt besitzt seine Qualitätsstandards. Eingetroffene Ware wird erst einmal inspiziert, ob sie in die neue “A-Kategorie” fällt. Falls nicht, wird mit Feuerzeug und Schere ein bisschen nachgeholfen, um es zumindestens nach “B+” aussehen zu lassen.



Manchmal liegt der Unterschied auch schlicht im Material. So kann man wählen, ob man das Markenprodukt in der “Original”-Fertigung kaufen möchte, oder in der “fast so ähnlichen” Variante.

Optisch ist für mich kein Unterschied zu erkennen, bei den “gleichen” Produkten kann die Passform überraschenderweise jedoch sehr abweichen.


Falls dann die gewünschte Größe gerade nicht zur Hand sein sollte, scheint es ein einheitliches Protokoll zu geben, das den Ladenbesitzer an die Hand gegeben wurde, um den bestmöglichen Kundenservice zu liefern. Um das gewünschte Produkte in der benötigten Größe zu erhalten, sieht der Ablauf, nach einer kleinen, aber sehr identischen Stichprobe folgendermaßen aus:

  • Den befreundeten “Nachbar-shop” fragen (Es ist nie der direkte Nachbar)

  • In der großen Lagerhalle nachschauen (, wo Besucher unerwünscht sind)

  • Kurz über die Grenze fahren (sind ja nur ein paar Minuten)

  • Anrufen beim “Freund am Flughafen”(, ob und wann die Ware kommt)

  • Austauschen der Kontaktdaten, um die Ware später zu verschicken (und neue Modelle anzupreisen)


An diesem Markt wird viel Wert auf Kundenservice gelegt. Dieses wird jedoch nicht in einem Preisaufschlag abgebildet

Der Verkaufspreis dieser Produkte wird gegenüber dem entsprechenden Shoppingcenter-Preis teilweise kräftig unterboten und dies ganz unabhängig vom aufgedruckten Logo. Wenn man sich dann als potentieller Zwischenhändler präsentiert und größere Mengen abnimmt, gibt es noch einmal extra Rabatte.



Doch bei Kleidung bleibt es am Ende nicht.

Man findet auch noch vieles weiter für den täglichen Bedarf. Diese Stände sind viel seltener anzutreffen, gleichen sich dafür aber umso mehr in der Auswahl. Sei es alles mögliche an elektronischem “Kram”, Pflegeprodukte oder Bettdecken.

Wer sucht, der findet hier.

Und falls mal etwas fehlt, gibt es immer noch das "Beschaffungs-Protokoll".


Hier muss ich jedoch gestehen, dass mir die Markennamen nichts mehr sagen. Vereinzelnd erkennt man das Logo und die Verpackung aus Drogerien und dem Shoppingcenter wieder, doch vermag ich nicht zu urteilen, ob der Preisabschlag Sinn ergibt.



Wie sich herausstellt, hat dieser Markt alles zu bieten, was man zum alltäglichen Leben braucht.

So könnte man sich die folgerichtige Frage stellen, warum man ihn überhaupt verlassen sollte.

Dies scheinen sich ebenso die Ladenbesitzer zu denken, und wandeln den Markt in den Abendstunden zum häuslichen Wohnviertel um. An einer Ecke wird ein Tablet aufgestellt, die Aerobic-Mitmach-Show gestartet und schon haben sich 5 ältere Damen in Reihe aufgestellt, um der Abendgymnastik nachzugehen. Dass sie dabei die bestmögliche Werbung für den Sportartikel-Stand von nebenan machen, bleibt ein unerkanntes Detail, denn es sind kaum noch Kunden unterwegs. Die Ladenbesitzerin ist sowieso zu ihrer Abendbeschäftigung übergegangen: Auch wenn die angebotenen Kleidungsstücke nicht von der Hausmarke sind, möchte man anscheinend seine eigene Note mitgeben. In diesem Fall eine Duftnote, denn so wird der Grill gut in einem Meter Entfernung zu den Waren aufgebaut und von dort die ganze Sportmannschaft verpflegt.


Denn es scheint täglich ein kleines Turnier zu geben. Die Sportplatzmarkierung sind permanent aufgemalt, das Netz muss noch gespannt werden und dann heißt es: Stand 1 gegen Stand 2, Gasse A gegen Gasse B, Zone West gegen Zone Nord.

Spielfeld in Thailand

Sollte man jedoch zu langsam an einem Stand der Spieler vorbeigehen, dann wird aus dem Sportler ganz schnell wieder ein Verkäufer. Die Öffnungszeiten sind hier eher frei interpretierbar. Denn man hat uns soeben mitgeteilt, dass der “Freund vom Flughafen” eine neue Lastwagenlieferung für diese Nacht angekündigt hat. Wir wurden also herzlich eingeladen morgen nochmal vorbeizukommen, denn dann seien ganz gewiss die gesuchten Schuhe in der richtigen Größe vorhanden. “Ob auch in der gesuchten Farbe?” - “Ja, ja, was passendes wird schon dabei sein.” So wie einige Städte nicht schlafen, scheint auch dieser Markt durchgehend in Betrieb zu sein. Wenn die Kleinen dann mal eine Pause brauchen, wird einfach die erstbeste Möglichkeit zur Regeneration genutzt.


Dieser Markt scheint sich auch nicht um die personelle Zukunft sorgen zu müssen. Überall zwischen Ständen und in den Gassen ist der Nachwuchs unterwegs und verfeinert seine Fähigkeiten für den späteren Karriereweg.

So wird in jungen Jahren gefeilscht, Waren angeboten oder der Stand vom Onkel empfohlen. Andere scheinen sich um die Ordnung hier zu sorgen und haken sehr gewissenhaft nach, wo man denn herkommt und was man hier mache (in überraschend gutem Englisch teilweise). Und wenn man sich eher auf der anderen Seite des Gesetzes wiederfindet, dann gilt es auch untereinander die Gassenhoheit zu festigen.



Der Besuch dieses Marktes beansprucht ein ganz anderes Level an Durchhaltevermögen und ist nicht wirklich als Freizeitaktivität zu empfehlen. Und doch war es sehr lehrreich und interessant, ein paar Einblicke in das System der "Markt-Logistik" zu erhalten. So stelle ich für mich fest, dass ich nach drei Jahren und einer weiteren neuen Art noch nicht Markt-müde bin, und mich in den nächsten Tagen wieder ins Treiben begeben werde. Dann aber wahrscheinlich eher in einer Stadt oder in einem Dorfzentrum.

Und wer weiß, vielleicht erkenne ich den Geruch dieses Marktes oder den nicht passenden Schuh auf einem "Nach(t)-Markt" wieder.


Mit neu-eingekleideten Grüßen,


Renke


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